Dieser Ausnahme-Pianist ist einfach unfassbar

Wird die „Klassik-Polizei“ Michael Gees holen?
Pressemitteilung von Wolfgang Friemerding

Man kann es zweifellos kongenial nennen, was der Komponist und Pianist der besonderen Art Michael Gees am 31. Oktober 2008 im Dammer Rathaus seinen Zuhörern bot, aber genau genommen war es mehr: Hier wuchs ein Interpret über Robert Schumann hinaus, ergänzte und aktualisierte ihn, ja, schuf ein modernes Verständnis von der Romantik. Damit trat Gees den Beweis an, dass die Romantik keine abgeschlossene Epoche ist, sondern – wie sie es beabsichtigt hatte – unendlich fortdauert.

Vorbild und Nachklang

Die Zuhörer des Abends beim Dammer Kunst- und Kulturkreis sollten aus Sicht der „Klassik-Polizei“ zu „Zeugen und Mitwissern einer Straftat“ werden, so ironisierte der Pianist sein Vorhaben zu Beginn. Doch nichts Sträfliches, sondern schlichtweg Außergewöhnliches ereignete sich im Lauf der nächsten zwei Stunden. Der Künstler machte das Unmögliche möglich – sei es mit seiner unglaublichen Technik, die jeder Schwierigkeit gewachsen war, sei es durch die Höhenflüge seiner schöpferischen Fantasie, die sich von Schumann inspirieren ließ, sei es in der emotionalen Vielfalt, die alle Erlebnis-Oktaven des menschlichen Lebens auslotete. Romantisch eben in seiner besten Spielart.

Solcherart spürte der Hörer keinerlei mühselige Arbeit, denn da perlten die Tasten und Töne ganz leichterdings dahin, kokettierte der Pianist in ironischem Dialog mit dem berühmten Vorbild und schien sogar in überschäumendem Temperament mit ihm durchzugehen. Übrigens: Michael Gees liebt den kräftigen Anschlag, denn er empfindet stark und gibt dieses Gefühl geradewegs expressiv wieder. Auf diese Art  beweist Gees mit seinem Vortrag beides: hingerissen und hinreißend zu sein.

Schumann-Liebhabern kommt solche Überein-Stimmung mit dem Pianisten vor, als habe der Original-Romantiker speziell für diesen Interpreten geschrieben. Denn  mit den ausgewählten drei Themen, mit den „Symphonischen Etüden“, den „Kinderszenen“ und den „Kreisleriana“ belegen beide Musiker und Komponisten die Universalität der Romantik, die alle Formen, alle Stile, alle Rhythmen und alle Epochen umfasst, ja, sogar zur Parodie ihrer selbst in der Lage ist. So dominierte zwar das Romantische unüberhörbar, doch in vielen Passagen klang es bemerkenswert modern, liefen unterschwellige Elemente durchaus heutiger Unterhaltungsmusik mit. So wird also unmerklich und auf vergnüglichste Weise Schumann ins 21. Jahrhundert transponiert. Wunderbar!

Erfrischend ist es schließlich auch, wenn Gees gelegentlich einen abrupten oder unerwarteten Schluss wählt, wenn er das Tempo wechselt oder sonstige verblüffende Wendungen wider die Erwartung ausführt: Dann deutet er an, verweist auf die unendliche Vielfalt des Möglichen, das jenseitig der gebotenen Musik Liegende. Da wird dann die grenzüberschreitende Funktion der Tonkunst spürbar, da wird der Zuhörer mit all seinen Sinnen erfasst, werden also Fantasie und Gemüt beflügelt. Echt romantisch eben. Echt Schumann. Aber ganz besonders echt Gees!

Konzert - Damme - Oktober 2008

Zwei Zugaben entlockten die äußerst begeisterten Zuhörer dem großartigen Pianisten, die vom „prophetischen Vogel“ und die von der Nachtigall. Es war klar, dass Michael Gees auch diese Symbolgestalten so gekonnt aus den Tasten des  hervorlockte, als seien sie im Konzertraum gegenwärtig. Recht einleuchtend also, dass die Tasten zu einem Flügel gehörten…

Schreibe einen Kommentar