Herkömmliche Dimensionen gesprengt
Eine außergewöhnliche Ballung von kultureller Vielfalt in Sierhausen bei Damme, angeordnet um die Ausstellung der drei Dammer Künstler Norbert Enker, Helmut May und Matthias Stöver, füllte das vergangene Wochenende und setzte neue Maßstäbe im Kulturleben der Stadt.
Dabei regnete es wenig verheißungsvoll in Strömen, als für die drei Veranstalter der Bildhauer Matthias Stöver die Eröffnungsworte am Freitag Abend sprach. Sein besonderer Dank galt den Sponsoren: Landmaschinen Grimme, Kartonagen Zerhusen, OLB, Volksbank Dammer Berge, Franz Dorenkamp, Kreismusikschule, Kunst- und Kulturkreis. Trotz der ungeliebten Wassermassen hatten sich aber bemerkenswert viele Besucher eingefunden, die den Abend mit dem locker jazzigen “Trio Berlin” in bester Stimmung verbrachten.
Mit der samstags strahlenden Sonne lief auch das “Dammer Getöse” zur Höchstform auf, wirkte sehr spontan und bezog die Besucher am Nachmittag geschickt mit in seine Aktivitäten ein. Am Abend konnte dann die Einführung zu den Künstlern und ihren Werken nachgeholt werden. Wolfgang Friemerding sprach davon, dass sowohl der Umfang an kultureller Vielfalt wie auch an Präsentationsfläche alle bisherigen Dimensionen sprenge. Das Bestreben, über die bekannten Dimensionen von Raum und Zeit in die fünfte Dimension der Fantasie, Vorstellungskraft, in den Bereich der Ideen vorzudringen, verbinde die drei Künstler.
Norbert Enker wähle als Fotograf mit zunächst zweidimensionalen Abbildungen ein bewusstes Fenster aus, durch das er eine eigenartige und neue Welt sichtbar mache. Indem er den Betrachter diesen Blick nachvollziehen lasse, führe er ihn auf geschickte Art in die fünfte Dimension, ergänze und erweitere also sein Weltbild. An verschiedenen ausgestellten Beispielen ließ Friemerding die Zuhörer solches nachvollziehen.
Die Bildhauer Helmut May und Matthias Stöver hätten beide den Vorzug, ihre Arbeiten dreidimensional vorführen zu können. Wenn der Zuschauer bereit zur Bewegung sei, könne er schon allein dadurch neue Perspektiven gewinnen. Ihr Weg zur fünften Dimension sei jedoch unterschiedlich.
Stöver gehe von ihr, und zwar von einer Idee, aus, oftmals entstanden durch eine Redewendung, ein geflügeltes Wort, ein Wortspiel. Danach suche er sich die passenden Materialien, die ihm als Dachdeckermeister in großer Vielfalt zur Verfügung stünden. Die Titel seiner Werke seien für den Betrachter sehr aufschlussreich, denn sie erlaubten ihm wiederum das Verständnis und damit das Vordringen in die fünfte Dimension.
Helmut May wähle den umgekehrten Weg. Das Material biete ihm durch Struktur, Zusammensetzung oder Farbe den Ansatz für eine Idee zu einem bildhauerischen Werk. Die Idee entstehe bei ihm durch die Art des Materials und während des Schaffensprozesses. Indem nun der Betrachter diesen Weg nachvollziehe, werde er zu einer Assoziationskette angestoßen. So erreiche er bei May die fünfte Dimension, erweitere sein Vorstellungsvermögen, so dass die Kunst weiterwirken könne.
21 Szenen mit Marionetten von Franz Jung und Paul Schneider schlossen sich dem an. Es waren Szenen voll Ironie, Szenen der Besinnung, der Mehrdeutigkeit, aber vor allem Anlässe feinster Beobachtungen und Bewegungen, mit Anspielungen wie “Kunst auf höherem Niveau”, “Aufblühen der Kunstpräsentation im ländlichen Raum”, “Fingerspitzenkunst” oder “Kunst und andere Katastrophen”, zumeist musikalisch unterlegt. Mit “All you need is love” gingen die Marionetten ins erstaunte Publikum und umarmten die Zuschauer zum Abschied.
Beim “Kulturfrühschoppen” am Sonntag glänzte “Tango Nuevo”, sechs Lehrer der Kreismusikschule, mit einfühlsamen und rhythmisch-dynamischen Weisen, während Ulrich Höltermann, der zusätzlich einige kolorierte Skizzen mit heimischen Motiven präsentierte, hernach halbernst-kauzig zu Jürgen Habermas philosophierte. Schwungvoller Abschluss war am Nachmittag die Big Band der Kreismusikschule, die so manchen Swing-Evergreen erblühen ließ und die außerordentlich zahlreichen Besucher bestens unterhielt. Wenn denn einer der drei Veranstalter zum Abschluss meinte, diese drei Tage gehörten zu den 100 glücklichsten in seinem Leben, dann darf das als sehr gezielt formuliertes Fazit ohne Abstriche so stehen bleiben. Matthias Stöver wird übrigens ab 15. Juli viele seiner Werke im Dammer Rathaus beim Kunst- und Kulturkreis ausstellen.
Pressemitteilung: Wolfgang Friemerding